Wangener Verein Lichtblick stellt wachsende Kinderarmut fest
Zwölf Jahre wird der Verein Lichtblick hilft Familien heuer alt. Mit den Jahren ist auch die Breite und die Zahl der zu bearbeitenden Fälle gestiegen. In den vergangenen beiden Jahren gab es erstmals Hilfe suchende Missbrauchsopfer und obdachlose Familien. Das Gute daran: Auch die Hilfe für den Verein reißt nicht ab. Zwar sind die Einnahmen zu Coronazeiten leicht rückläufig, aber nicht weggebrochen. Die Sorge des sozial-caritativ agierenden Vereins gehört eher der Zukunft.
„Bei uns werden die coronabedingten Auswirkungen erst noch kommen“, vermutet Anne Martin, eine der drei Vorsitzenden. Gerade die sportlichen und musikalischen Betätigungen oder der Nachhilfeunterricht sind seit Mitte März von vielen, die Hilfe benötigen, eingeschränkt und nach unten gefahren worden – damit sind für „Lichtblick“ auch keine Kosten angefallen.
Sobald sich die Lage nun wieder mehr und mehr normalisiert, werden diese Unterstützungskosten erneut in den Büchern zu finden sein, glaubt Martin. Noch aber „läuft es“, was die Spendeneingänge betrifft. „Aber auch das könnte uns in den kommenden Monaten und im nächsten Jahr noch treffen, wenn beispielsweise Firmen ihre Spenden aus wirtschaftlichen Gründen zurückfahren müssen“, so Martin. Dabei verzeichnete der Verein schon 2019 ein „Rekordjahr“. Gegenüber dem Vorjahr wurden 50 Prozent mehr an Ausgaben verzeichnet. 216 Kinder, 165 Familien und 91 000 Euro standen im vergangenen Jahr zu Buche. 127 Kinder und 99 Familien profitierten 2018 von den eingesetzten 62 000 Euro.
Neue Struktur im Vorstand
Zum Vorstand gehören seit 2019 die drei Vorsitzenden Helga Osterberger (Ressort Familien und Anfragenbearbeitung), Marion Lang (Leitung Sitzungen und Datenschutzbeauftragte) und Anne Martin (Öffentlichkeitsarbeit und Organisation) sowie Hiltrud Gambach (Finanzen), Daniela Notz (Schriftführerin), Franziska Roth (Veranstaltungen und Oma-Vermittlung) und Angela Haggenmiller (Internetauftritt).
Im Zuge der Datenschutzverordnung wurde 2019 auch die Satzung überarbeitet – und der Kreis der Akteure verkleinert. „Aus persönlichen und beruflichen Gründen hatte sich schon im Vorfeld abgezeichnet, dass einige der bisher Verantwortlichen nicht mehr mitmachen wollen oder können“, erzählt Anne Martin. Die Zahl der Nachrückenden ist geringer als jene der Ausgeschiedenen. Der Vorstand wurde auf sieben Mitglieder halbiert. Jedes Vorstandsmitglied hat nun seit 2019 ein eigenes Ressort.
Als „geradezu dramatisch“ empfindet es Martin, dass nach 2018 (erstes Missbrauchsopfer) in 2019 auch erstmals eine obdachlose Familie unterstützt werden musste: „Das hatten wir bislang noch nie.“ Es zeige aber auch die Not. Überhaupt wachse die Kinderarmut stetig. Und: „Wir sehen in unserer Arbeit sehr viele Alleinerziehende und ihre Kinder.“
Gruppenprojekte nehmen ebenfalls zu
Zugenommen haben für den Verein laut Marion Lang auch die Gruppenprojekte. Seit 2016 läuft an der Martinstorschule die musikalische Früherziehung. Seit zwei Jahren wird dort – von Corona-Zeiten einmal abgesehen – auch ein Frühstück angeboten, da bis dato einige Kinder mit leerem Bauch zur Schule gekommen sind. Immer schwieriger wird es, Familienpflegerinnen zu finden. Martin: „Die Familienpflege ist heute anders aufgestellt als zu unseren Anfangszeiten. Und da wir diese ja ,nur’ finanzieren, sind wir auf Organisationen angewiesen, die das anbieten.“
Einen Anstieg an Anfragen verzeichnete der Verein seit Jahren (und noch vor Corona) auch an Familien, die zunehmend Probleme damit haben, ihre Kinder eine angemessene Teilhabe an Bildungsangeboten und gesellschaftlichem Leben zu ermöglichen. Überhaupt stehen die Familien nach wie vor im Mittelpunkt des vereinseigenen Tuns: „An den zum Teil sehr emotionalen Rückmeldungen der unterstützten Familien erkennen wir, dass wir mit unseren Zuwendungen oft echte Not lindern können.“
Wie und wem der Verein hilft
Zahlreichen Kindern und Familien konnte der 2008 gegründete Verein „Lichtblick hilft Familien“ im Altkreis Wangen und der angrenzenden Region schon helfen. Lichtblick leistet Hilfe, wenn ein Elternteil schwer erkrankt oder stirbt, der Kostenträger nicht mehr unterstützt oder Versorgungslücken geschlossen werden müssen. Auch die Initiative „Mach mit! Gemeinsam gegen Kinderarmut“ gehört zu den Aufgabenfeldern. Daneben sorgt Lichtblick, wenn möglich, für eine Oma-/Opa-Vermittlung. „Leider haben wir in diesem Bereich einen akuten Mangel“, sagt Franziska Roth – und ruft alle „Omas“ und „Opas“ auf, sich bei Interesse zu melden.
Im Vereinsflyer über die Aktionen in 2019 ist beispielsweise die Übernahme der Kindergartengebühr für ein Kind, dessen Vater verstorben ist, nachzulesen. Auch für das außerhäusliche Mittagessen für Kinder aus bedürftigen Familien, Sport- und Musikunterricht, Nachhilfe, Bekleidung, Reittherapien, Landschulheimaufenthalte oder Zuschüsse für eine Klassenfahrt, Hort- oder Tagesmutterkosten, Mitgliedsbeiträge für den Fußballverein oder Schwimmkurse. Finanziert wurden auch Artikel wie ein Bett mit Schrank oder ein Kindersitz – oder ein Kurzurlaub für eine Familie mit schwerkranker Mutter. In Kooperation mit der Jugendmusikschule wurden auch Kinder der Martinstorschule mit therapeutischem Musikunterricht unterstützt. Der spendenfinanzierte Verein hat rund 200 Mitglieder.
Susi Weber, Schwäbische Zeitung
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